Bd.21(2018):397-419_ Remy

Dietmar Remy
Der große Unbekannte – eine Annäherung an den Zeiss-Generaldirektor Helmut Wunderlich (1919–1994)
Jenaer Jahrbuch zur Technik- und Industriegeschichte Bd. 21 (2018), S. 397-419 

Inhalt:
Ehemaligen Mitarbeitern des VEB Carl Zeiss Jena sind von den vier Generaldirektoren, die zwischen der Verstaatlichung der Firma Zeiss im Jahr 1948 und dem politischen Umbruch im Herbst 1989 an der Spitze des Optik-Giganten standen, zumeist drei in Erinnerung geblieben: Hugo Schrade, Ernst Gallerach und Wolfgang Biermann. Zu diesen Großen Drei gesellt sich in der Zeiss-Historie ein großer Unbekannter. Sein Name: Helmut Wunderlich.
Die meisten Zeissianer verstanden nicht, weshalb die Berliner Parteispitze gerade diesen Mann 1971 zum dritten Generaldirektor des so wichtigen und zugleich komplexen Traditionsunternehmens ernannt hatte. Sie fragten sich damals, welche Leistungen jener denn für die DDR-Volkswirtschaft erbracht habe, um dazu berufen zu sein, in Jena als ihr Repräsentant aufzutreten.
Wunderlich agierte nur vier Jahre in Jena. Vielen Zeitzeugen erschien er damals als ein Wirtschaftsfunktionär ohne Elan und Visionen, der den VEB Carl Zeiss Jena mehr verwaltete als lenkte. Aufgrund großer Planrückstände von Zeiss beim Export in das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet sowie aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustandes musste Wunderlich sein Amt 1975 aufgeben.
Im Mittelpunkt dieses Aufsatzes steht vor allem Wunderlichs berufliches Schaffen bis zum seinem Eintreffen in Thüringen. Auf diese Weise wird deutlich, weshalb sich damals die Parteiführung der SED und die Regierung der DDR ganz bewusst für Wunderlich entschieden hatten. Dabei diente als wesentliche neue historische Quelle Wunderlichs Autobiographie, in der er zum Beispiel seine Zeit in russischer Kriegsgefangenschaft, seine Tätigkeit als Minister für Maschinenbau und seine Erfolge bei der Sanierung von zwei Volkseigenen Betrieben im Berliner Raum beleuchtet. Er verfasste diese Autobiographie 1985 als Rentner. Seine Selbstdarstellung wurde jedoch nie veröffentlicht – und blieb bis heute unbeachtet.

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